Eine neue Kleinpartei setzt sich für ein einziges Thema ein: das bedingungslose Grundeinkommen. Nun bekommt sie einen prominenten Unterstützer. Denn: „Es wird immer weniger Arbeit geben“, sagt Götz Werner.

Es ist elf Jahre her, dass sich Götz Werner erstmals mit einem Buch zum bedingungslosen Grundeinkommen bekannte. „Ein Grund für die Zukunft: Das Grundeinkommen“ hieß das Buch, das der Gründer der Drogeriekette dm in einem kleinen anthroposophischen Verlag veröffentlichte.

Gerade erst hat der 73-Jährige ein neues Buch zum Thema veröffentlicht, zusammen mit den Bestseller-Autoren Matthias Weik und Marc Friedrich („Der Crash ist die Lösung“). Doch Schreiben reicht ihm nicht mehr. Im Gespräch mit dem Handelsblatt kündigt er an, die neue Partei „Bündnis Grundeinkommen“ (BGE) zu unterstützen – zumindest mit seiner Stimme. …

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Handelsblatt print: Nr. 080 vom 25.04.2017 Seite 053 / Familienunternehmen

GÖTZ WERNER

Befreiende Wirkung

Eine neue Kleinpartei setzt sich für ein einziges Thema ein: das bedingungslose Grundeinkommen. Nun bekommt sie mit dem dm-Gründer einen prominenten Unterstützer.

Es ist elf Jahre her, dass sich Götz Werner erstmals mit einem Buch zum bedingungslosen Grundeinkommen bekannte. „Ein Grund für die Zukunft: Das Grundeinkommen“ hieß das Buch, das der Gründer der Drogeriekette dm in einem kleinen anthroposophischen Verlag veröffentlichte.

Gerade erst hat der 73-Jährige ein neues Buch zum Thema veröffentlicht, zusammen mit den Bestseller-Autoren Matthias Weik und Marc Friedrich („Der Crash ist die Lösung“). Doch Schreiben reicht ihm nicht mehr. Im Gespräch mit dem Handelsblatt kündigt er an, die neue Partei „Bündnis Grundeinkommen“ (BGE) zu unterstützen – zumindest mit seiner Stimme.

„Ich würde sie wählen“, sagt der 73-Jährige über die im September gegründete Ein-Themen-Partei. „Denn wenn ich die anderen wähle, wähle ich immer nur Altes.“ Auch die anderen Alternativen sind nichts für Werner: „Eine Hass-Partei will ich nicht wählen.“

Der bekennende Anthroposoph ist ein Pionier unter den Grundeinkommens-Fans mit vollem Bankkonto. Nicht nur Silicon-Valley-Größen wie Microsoft-Gründer Bill Gates oder Tesla-Chef Elon Musk sprechen sich inzwischen für ein Grundeinkommen aus, das unabhängig vom Arbeitsverhältnis ist. Auch in Deutschland sympathisieren Top-Manager seit kurzem mit diesem Konzept, darunter Siemens-Chef Joe Kaeser oder Telekom-Chef Timotheus Höttges. Aber niemand so lange wie Werner.

Ein staatlich garantiertes, monatliches Einkommen von 1 000 Euro für jeden Bürger soll Menschen Existenzangst nehmen und eine freiere Wahl ihres Lebensmodells ermöglichen – selbst dazu, gar nicht mehr zu arbeiten.

Als Gründer einer Drogeriekette mit mehr als 50 000 Mitarbeitern spürt er deutlich, dass die Wirtschaft bei der Schaffung von Arbeitsplätzen an ihre Grenzen gerät. Digitalisierung und Automation fordern ihren Tribut. „Durch die rasante Entwicklung der Produktivität wird es immer weniger Arbeit geben“, warnt Werner.

Zeitalter der Maschinen

Das beobachtet er sogar in seiner eigenen Branche, die von der Digitalisierung bisher noch weniger erfasst ist. „Als ich meine Lehre gemacht habe, da hat der Laden 400 000 Mark Umsatz gemacht und hatte 35 Angestellte. Das macht heute ein einziger Mitarbeiter“, erinnert sich der 73-Jährige. „Früher musste man doch noch ins Lager laufen und 250 Gramm Leinsamen an der Balkenwaage abwiegen.“

In Zukunft, so der dm-Gründer, würden auch im Handel Maschinen mit Maschinen arbeiten. „In dem Moment, wo Sie die Zahnpasta aus dem Regal nehmen, weiß der Hersteller dann schon, dass der Laden Nachschub braucht, und bringt die Lieferung auf den Weg.“ Mit dramatischen Folgen für die Gesellschaft: Wenn in Läden, Lagern und Fabrikhallen Maschinen die Arbeit erledigen, wird es immer schwerer, alle Menschen in Lohn und Brot zu bringen.

Das bedingungslose Grundeinkommen sieht er da als Lösung. „Wir leben doch in einer Überflussgesellschaft“, sagt Werner. Da könnten wir es uns leisten, zumindest einen Teil des Einkommens von der Erwerbsarbeit zu entkoppeln. Für die Menschen habe das eine befreiende Wirkung: Wenn die Grundbedürfnisse gesichert sind, habe jeder die Freiheit, sich so in die Gesellschaft einzubringen, wie es seinen Fähigkeiten entspricht.

Auf den ersten Blick wirkt es erstaunlich, dass gerade ein Selfmade-Unternehmer wie Werner ein staatliches Grundeinkommen fordert. Der frühere Jugendmeister im Ruder-Doppelzweier hat ohne fremde Unterstützung aus seiner ersten Drogerie, die er 1973 in Karlsruhe eröffnete, ein Imperium mit einem Umsatz von mehr als neun Milliarden Euro gemacht.

Doch für den Milliardär ist das kein Widerspruch. „Die Verkoppelung von Arbeit und Einkommen ist einer der Grundfehler unseres Systems“, ist er überzeugt. Die Gesellschaft müsse Verhältnisse schaffen, wo sich jeder Einzelne selber motiviert. Dann gebe es vielleicht auch wieder mehr Menschen, die den Mut haben, ein Unternehmen zu gründen – so wie er vor mehr als 40 Jahren.

Die neue Partei sieht er als weiteren Schritt, die Öffentlichkeit für das BGE zu begeistern: „Ich finde es wichtig, dass mit der neuen Partei der öffentliche Diskurs geführt wird über das bedingungslose Grundeinkommen. Denn wenn sich Menschen damit gedanklich auseinandersetzen, kommen sie von selber darauf, dass das eine gute Idee ist.“ Mit mehr als seiner Stimme dürfen die BGE-Gründer aber nicht rechnen: „Aktiv mitmachen würde ich da nicht, ich bin kein Parteien-Mensch.“

Kolf, Florian

Quelle Handelsblatt print: Nr. 080 vom 25.04.2017 Seite 053
Ressort Familienunternehmen
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